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- 17. Mai 2022
Geschlechtsdysphorie - Meine Eltern brauchen Hilfe
Einordnung der Geschlechtsdysphorie in der frühen Kindheit und plötzlich einsetzender Geschlechtsdysphorie unter Heranwachsenden
Der heutige Tag ist ein guter Anlass, um über Transsexualität bei Kindern zu sprechen. Das Phänomen gerät zunehmend in den Fokus der politmedialen Öffentlichkeit und wird gezielt von den woke-kollektivistischen Neomarxisten instrumentalisiert. Aufklärung und eine Darlegung der zunehmend in den Giftschrank der psychologischen und psychiatrischen Forschung verbannten wissenschaftlichen Arbeiten sind dringend geboten, möchte man den betroffenen Kindern nicht schaden.
Geschlechtsdysphorie (GD, auch gender identitiy disorder: GID) – also die fehlende Identifikation mit dem angeborenen, körperlichen Geschlechtsausdruck – ist mit einer Prävalenz in Selbstberichten von 0.5 % bis 1.3 % eine seltene, ungewöhnliche Erkrankung[1]. Im Kindesalter sind vorwiegend Jungen betroffen, während sich dieser Geschlechtsunterschied für Jugendliche umkehrt.[2] Die klinische Prävalenz ist mit 0.005 bis 0.014 % für Männer und 0.002 % bis 0.003 % bei Frauen deutlich geringer[3].
Männliche Kinder zeigen als Symptom nicht nur Probleme mit der Geschlechtsidentität, sondern auch Störungen der kindlichen Beziehungserfahrungen und der Selbstwahrnehmung[4], sind eher trennungsängstlich und depressiv [5] und leiden unter verschiedenen Verhaltensauffälligkeiten[6]. In Rorschach-Tests zeigen Jungen mit GD Objektrepräsentanzen, bei denen überkontrollierende und überwältigende (i. S. v. „overpowering“) und böswillige Figuren und Bilder dominieren.[7]
Betrachtet man die Eltern der Kinder mit GD ist die hohe Rate an chronischen Depressionen, Angststörungen sowie symptomatischer narzisstischer und Borderline-Persönlichkeitsstörungen auffällig. [8] 53 % der Mütter von Jungen mit GD erfüllten in einer Studie die Diagnosekriterien einer Depression oder für eine Borderline-Persönlichkeitsstörung – in der Kontrollgruppe erfüllten diese Diagnosekriterien nur 6 % der Mütter.[9] Die Mehrheit der Mütter zeigt Verhaltensweisen und Einstellungen, die die Autonomieentwicklung ihres Sohnes verhindern, während sich viele Väter aus der Mutter-Sohn-Beziehung ausgeschlossen fühlen – sie beschreiben sich selbst als Eifersüchtig, beherrscht von Fantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht und Brillanz und suchen konstant nach Aufmerksamkeit, Bestätigung und Lob.[10] Die Mehrheit der Eltern weist erhebliche Schwierigkeiten in der Regulation des Selbstwertgefühls sowie in der Steuerung von Durchsetzungsfähigkeit und Aggression zu steuern.[11] Borderline-Persönlichkeitsstörungen und narzisstische Persönlichkeitsstörungen betreffen die Persönlichkeit auf struktureller Ebene und werden bereits in früher Kindheit erworben – insbesondere aufgrund von Traumata durch frühkindliche Missbrauch (v. a. sexueller Missbrauch) und Vernachlässigung.[12] Da die Ursache von Persönlichkeitsstörungen in der frühen Kindheit der betroffenen Personen zu finden ist, kann angenommen werden, dass diese vor Geburt des Kindes bestanden und somit nicht Folge von z. B. Diskriminierungserfahrungen aufgrund der GD des Kindes sind. Da sich Persönlichkeitsstörungen von den Eltern an die Kinder weitergegeben werden können, sollte ebenfalls darauf hingewiesen werden, dass GD sehr häufig mit Persönlichkeitsstörungen – oft auch mehr als eine – einhergeht.[13]
Verhaltensweisen, die nicht dem angeborenen Geschlechtsausdruck entsprechen (sog. „cross gender“-Verhalten) setzt bei den Kindern mit GD häufig mit traumatischen Erlebnissen, wie etwa Trennungen oder Psychosen der Mutter ein.[14] Weiterhin zeigte sich in einer Fallstudie, dass GD ebenfalls durch kulturelle Glaubenssätze der Eltern induziert werden kann.[15]
Zusammenfassend betrachtet existiert eine starke empirische Evidenz, dass GD im Kindheitsalter vorwiegend das Ergebnis einer komplexen Interaktion aus familliären und psychosozialen Kontextfaktoren ist. Insbesondere die Psychopathologie der Persönlichkeitsstruktur der Eltern (v. a. der Mutter) sowie die Möglichkeit GD in der Eltern-Kind-Interaktion zu induzieren lassen den Schluss zu, dass ein signifikanter Anteil der Kindheits-GD „anerzogen“ bzw. aus dem elterlichen Grooming resultiert. Erhärtet wird dieser Verdacht durch die geringe Persistenzrate, also dem Anteil der Individuen mit GD in der Kindheit, welche GD auch noch im (jungen) Erwachsenenalter aufweisen. In Follow-Up-Untersuchungen lag die Persistenzrate lediglich zwischen 2.2 und 20.3 % - bei 79.7 % bis 97.8 % hat sich die GD also mit dem Alter zurückgebildet.[16] Weiterhin unterzogen sich 80 % der Jugendlichen mit GD bereits aufgrund anderer psychologischer Krankheitsbilder einer Untersuchung, 54 % erhalten oder erhielten zum Zeitpunkt der Diagnose Psychopharmaka und 60 % der Jugendlichen mit GD wurden bereits nach DSM-IV-TR mit einer anderen Erkrankung diagnostiziert.[17]
In Anbetracht dieser empirischen Befunde, erscheint die politisch so oft geforderte geschlechtsangleichende Behandlung (Chirurgie, Hormonbehandlung) weder zweckmäßig noch ethisch vertretbar. Anstatt eines massiven Eingriffs in das Hormonsystem oder eines irreversiblen Eingriffs in die körperliche Integrität des Kindes, wäre eine tiefgreifende psychotherapeutische und psychiatrische Begleitung der Kinder sowie auch der Eltern notwendig – in Anbetracht der geringen Persistenzrate wäre nach Erreichung eines Alters, in dem informierte Entscheidungen getroffen werden können und andere Störeinflüsse durch die psychotherapeutische Begleitung so weit wie möglich ausgeschlossen wurden, eine geschlechtsangleichende Behandlung unter Umständen sinnvoll.
Von dem „traditionellen” Phänomen der GD muss ein weiteres Phänomen im Kontext Geschlechtsidentität abgegrenzt werden: Die plötzlich einsetzende Geschlechtsdysphorie (engl. rapid onset gender dysphoria; ROGD). ROGD ist definiert als die plötzlich – ohne vorhergehende Symptomgeschichte – einsetzende GD.[18] Besonders auffallend bei der ROGD ist, dass vorwiegend junge Frauen (82.8 % der berichteten Fälle) im pubertären Alter (Mittelwert: 15.2 Jahre) betroffen sind und sich für ihr Umfeld aus „blauem Himmel“ als „transgender“ outen.[19] 62.5 % der berichteten Fälle hatten wenigstens eine psychologische Erkrankung oder neurologische Entwicklungsstörung in der Krankengeschichte, wobei in 36.8 % der Fälle berichtet wurde, dass die Mehrheit des Freundeskreises des Kindes ebenfalls „trans“ wurde.[20] Die Eltern berichteten von abnehmender psychischer Gesundheit der Kinder (47.2 %), sich verschlechternde Eltern-Kind-Beziehungen (57.3 %) seit dem „Coming-Out”.[21] Weiterhin äußerten die Kinder Misstrauen gegenüber nicht-transgender Menschen (22.7 %), verbrachten weniger Zeit mit ihren nicht-transgender Freunden (25.0 %), isolierten sich von ihren Familien (49.4 %) und vertrauten nur noch auf Informationen, die aus „transgender”-Quellen stammen (46.6 %).[22] Einhergehend mit dem plötzlichen Einsetzen der GD, kam ein erhöhter social media/Internet-Konsum oder die Zugehörigkeit zu einem Freundeskreis, von dem ein oder mehrere Peers im selben Zeitraum ihr „coming-out&dquo; hatten oder beides (86.7 %).[23]
ROGD scheint – falls es ein realexistierendes Phänomen ist – eine pubertäre Erscheinung zu sein, welche durch die Gruppendynamik in den jugendlichen Peer Groups und den Echokammern in den (sozialen) Medien verstärkt wird. Ein signifikanter Teil der ROGD-Jugendlichen befindet sich in einer Phase der Identitätsfindung im erweiterten Sinne – ob es sich tatsächlich eine transsexuelle Identität herausbildet, ist zu diesem Zeitpunkt nicht zu sagen.[24] ROGD könnte sich als „Modeerscheinung” einer woken jugendlichen Subkultur entpuppen. Medikamentöse Behandlungen oder gar Operationen würden sich in diesem Falle selbstverständlich verbieten – wenn, wäre eine Psychotherapie oder eine „observe & wait“-Strategie sinnvoll.
Quellen:
[1] Zucker KJ. Epidemiology of gender dysphoria and transgender identity. Sex Health. 2017 Oct;14(5):404-411. doi: 10.1071/SH17067. PMID: 28838353.
[2] Ebd.
[3] American Psychiatric Association. (2013). *Diagnostic and statistical manual of mental disorders* (5th ed.). https://doi.org/10.1176/appi.books.9780890425596
[4] Susan Coates Ph.D., Richard C. Friedman M.D. & Sabrina Wolfe Ph.D. (1991) The etiology of boyhood gender identity disorder: A model for integrating temperament, development, and psychodynamics, Psychoanalytic Dialogues, 1:4, 481-523, DOI: [10.1080/10481889109538916](https://doi.org/10.1080/10481889109538916)
[5] Coates, S., & Person, E. S. (1985). Extreme boyhood femininity: Isolated behavior or pervasive disorder? *Journal of the American Academy of Child Psychiatry, 24*(6), 702–709. [https://doi.org/10.1016/S0002-7138(10)60113-6](https://psycnet.apa.org/doi/10.1016/S0002-7138(10)60113-6)
[6] Bradley, S. J., & Zucker, K. J. (1990). *Gender Identity Disorder and Psychosexual Problems in Children and Adolescents. The Canadian Journal of Psychiatry, 35(6), 477–486.* doi:10.1177/070674379003500603
[7] Steven Tuber & Susan Coates (1989) Indices of Psychopathology in the Rorschachs of Boys With Severe Gender Identity Disorder: A Comparison With Normal Control Subjects, Journal of Personality Assessment, 53:1, 100-112, DOI: [10.1207/s15327752jpa5301_11](https://doi.org/10.1207/s15327752jpa5301_11)
[8] Marantz, S., & Coates, S. (1991). Mothers of boys with gender identity disorder: A comparison of matched controls. *Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry, 30*(2), 310–315. [https://doi.org/10.1097/00004583-199103000-00022](https://psycnet.apa.org/doi/10.1097/00004583-199103000-00022)
[9] Marantz, S., & Coates, S. (1991). Mothers of boys with gender identity disorder: A comparison of matched controls. *Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry, 30*(2), 310–315. [https://doi.org/10.1097/00004583-199103000-00022](https://psycnet.apa.org/doi/10.1097/00004583-199103000-00022)
[10] Coates, S., Friedman, R. C., & Wolfe, S. (1991). The etiology of boyhood gender identity disorder: A model for integrating temperament, development, and psychodynamics. *Psychoanalytic Dialogues, 1*(4), 481–523. [https://doi.org/10.1080/10481889109538916](https://psycnet.apa.org/doi/10.1080/10481889109538916)
[11] Susan Coates Ph.D., Richard C. Friedman M.D. & Sabrina Wolfe Ph.D. (1991) The etiology of boyhood gender identity disorder: A model for integrating temperament, development, and psychodynamics, Psychoanalytic Dialogues, 1:4, 481-523, DOI: [10.1080/10481889109538916](https://doi.org/10.1080/10481889109538916)
[12] Bozzatello P, Rocca P, Baldassarri L, Bosia M and Bellino S (2021) The Role of Trauma in Early Onset Borderline Personality Disorder: A Biopsychosocial Perspective. Front. Psychiatry 12:721361. doi: 10.3389/fpsyt.2021.721361
[13] Anzani, A., Panfilis, C., Scandurra, C., & Prunas, A. (2020). Personality Disorders and Personality Profiles in a Sample of Transgender Individuals Requesting Gender-Affirming Treatments. *International journal of environmental research and public health*, *17*(5), 1521. https://doi.org/10.3390/ijerph17051521
[14] Meyer, J. K., & Dupkin, C. (1985). Gender disturbance in children: An interim clinical report. *Bulletin of the Menninger Clinic, 49*(3), 236–269.
[15] Dr. Jim B. Tucker MD & H. H. Jürgen Keil PhD (2002) Can Cultural Beliefs Cause a Gender Identity Disorder?, Journal of Psychology & Human Sexuality, 13:2, 21-30, DOI: [10.1300/J056v13n02_02](https://doi.org/10.1300/J056v13n02_02)
[16] Singh D, Bradley SJ and Zucker KJ (2021) A Follow-Up Study of Boys With Gender Identity Disorder. Front. Psychiatry 12:632784. doi: 10.3389/fpsyt.2021.632784
[17] Melanie Bechard, Doug P. VanderLaan, Hayley Wood, Lori Wasserman & Kenneth J. Zucker (2017) Psychosocial and Psychological Vulnerability in Adolescents with Gender Dysphoria: A „Proof of Principle” Study, Journal of Sex & Marital Therapy, 43:7, 678-688, DOI: 10.1080/0092623X.2016.1232325
[18] Zucker KJ. Adolescents with Gender Dysphoria: Reflections on Some Contemporary Clinical and Research Issues. Arch Sex Behav. 2019 Oct;48(7):1983-1992. doi: 10.1007/s10508-019-01518-8. Epub 2019 Jul 18. PMID: 31321594.
[19] Littman L. (2018). Parent reports of adolescents and young adults perceived to show signs of a rapid onset of gender dysphoria. *PloS one*, *13*(8), e0202330. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0202330
[20] Ebd.
[21] Ebd.
[22] Ebd.
[23] Ebd.
[24] Kaltiala-Heino, R., Sumia, M., Työläjärvi, M. *et al.* Two years of gender identity service for minors: overrepresentation of natal girls with severe problems in adolescent development. *Child Adolesc Psychiatry Ment Health* **9,** 9 (2015). https://doi.org/10.1186/s13034-015-0042-y