Ja, Anarchokapitalisten sind Anarchisten

Ja, Anarchokapitalisten sind Anarchisten

Wer schon einmal erlebt hat, wie Sozialisten über Anarchokapitalismus sprechen, dem ist wahrscheinlich aufgefallen, wie sehr sie darauf bestehen, daß es sich dabei nicht um eine Form des Anarchismus handelt. Oft weigern sie sich sogar, das Wort ohne Anführungszeichen um den „Anarcho“-Teil zu schreiben. Ihr Argument ist, daß sich der Anarchismus historisch auf eine Ideologie beziehe, die eine gewaltsame Kollektivierung oder Umverteilung von Privateigentum befürwortet und die traditionell organisierte Privatwirtschaft als gleich schlimm oder sogar schlimmer als den Staat betrachtet.

Ob Sozialisten recht haben mit der Behauptung Anarchokapitalisten seien keine Anarchisten, soll in diesem Beitrag geklärt werden, kann aber eigentlich hier schon mit „Nein!“ beantwortet werden. Bevor wir uns mit dem Thema befassen, muß darauf hingewiesen werden, daß jede Frage, die als „ist X gleich Y?“ formuliert werden kann, von den Definitionen von X und Y abhängt, die keine objektiven Fakten sind. Sprache ist nur ein Mittel zur Kommunikation, und das Wort „Anarchismus“ ist nur ein Symbol, mit dem das eine Affenhirn versucht, einem anderen Affenhirn eine Idee zu vermitteln. Wenn man sagen würde, daß mit „Anarchist“ jemand gemeint ist, der Neon Genesis Evangelion schaut, dann wäre es vielleicht klug für das Gegenüber, das einfach zu akzeptieren und ein anderes Wort für die politische Ideologie zu verwenden, zumindest in Bezug auf die stattfindende Konversation.

Egal mit welchem Wort man sie benennt, eine Rose würde immer noch genauso gut duften. Die Ideen des Anarcho-Kapitalismus werden nicht mehr oder weniger gerecht oder richtig, je nachdem, ob man sie als „Anarchismus“ bezeichnet oder nicht. Während das Wort selbst eine Frage der Semantik ist, gibt es sicherlich echte Meinungsunterschiede über die geschichtlichen Fakten, die das Wort umgeben. Wenn man den durchschnittlichen Anarcho-Kommunisten nach diesen fragt, wird er so tun als sei der Anarchismus von Anfang an kollektivistisch gewesen und alle hätten dem zugestimmt, bis Murray Rothbard in den 1950er Jahren ganz unvermittelt anfing, sich einen Anarchisten zu nennen. Wie hier dargelegt werden wird, sieht die Wahrheit aber vollkommen anders aus. Wenn man diese Geschichte durchgeht, wird auch klar, daß sich die Bedeutung von Wörtern im Laufe der Zeit auf natürliche Art weiterentwickelt, was die sozialistischen, selbsternannten „Anarchisten“ immer wieder nicht begreifen, wenn sie so tun als ob „aber Proudhon nannte sich selbst einen Sozialisten“ ein vernichtendes Argument sei. Ironischerweise sind es oft dieselben Leute, die sich extrem darüber aufregen, wenn Faschisten als sozialistisch bezeichnet werden, obwohl es nicht annähernd so lange her ist, daß Faschisten diesen Begriff noch für sich selbst verwendet haben, als bei den individualistischen Anarchisten. Und wenn man mal die Etiketten vergißt und nur die Wirtschaftspolitik betrachtet, waren die Ansichten der meisten Faschisten dem modernen Sozialismus viel näher als es jemand wie Benjamin Tucker ist.

Im Folgenden soll nun die Geschichte des Begriffs „Anarchismus“ beleuchtet werden.

Die erste Erwähnung des Wortes Anarchismus in der englischen Sprache stammt aus dem Jahr 1642, zu Beginn des englischen Bürgerkriegs. Dabei handelte es sich nicht um eine politische Ideologie, niemand nannte sich zu diesem Zeitpunkt Anarchist. Der Begriff wurde als abwertendes Wort verwendet, wahrscheinlich von Anhängern König Charles, um die Parlamentarier zu bezeichnen, die ihrer Meinung nach gegen den König rebellierten. Im Grunde bezeichneten sie diese Rebellen als Verfechter von Führungslosigkeit und Chaos.

Erst etwa 200 Jahre später begann Pierre Joseph Proudhon in Frankreich das Wort Anarchismus zu verwenden, um seine eigene Ideologie zu beschreiben. Er war der erste, der dies tat und der Vater des Anarchismus. In seinem Essay von 1840 „Was ist Eigentum?“ definiert Proudhon Anarchie als die Abwesenheit eines Herrschers oder Souveräns und schreibt:

Weder Vererbung, noch Kürung, noch allgemeine Wahl, noch die Exzellenz des Souveräns, noch die Weihe der Religion und der Zeit können das Königtum legitimieren. Welche Form es auch immer annimmt - monarchisch, oligarchisch oder demokratisch - das Königtum oder die Regierung von Menschen durch Menschen ist illegitim und absurd.

Offensichtlich würde kein Anarcho-Kapitalist dem widersprechen. Wenn man einen AnCap bitten würde, Anarchie zu definieren, würde er wahrscheinlich etwas sehr Ähnliches sagen: eine staatenlose Gesellschaft. Und doch sind dieselben kollektivistischen Anarchisten, die den Rothbardianismus so leidenschaftlich verurteilen, viel eher bereit, Proudhon als „Vater des Anarchismus“ zu akzeptieren. Der Grund dafür liegt im Wesentlichen in einer Aussage, die Proudhon in demselben Essay als Antwort auf den Titel des Werks macht: „Eigentum ist Diebstahl!“. Oberflächlich betrachtet klingt dies ziemlich gegensätzlich zur Rothbard'schen Sichtweise, um nicht zu sagen, selbst-widersprüchlich. Wie kann Eigentum Diebstahl sein, wenn der Begriff des Diebstahls selbst die Idee des Eigentums voraussetzt? Und es wird noch komplizierter, wenn Proudhon in einem späteren Werk mit dem Titel „Systeme ökonomischer Widersprüche“ erklärt: „Eigentum ist Freiheit“, während er gleichzeitig an der Aussage „Eigentum ist Diebstahl“ festhält.

Um diesen scheinbaren Widerspruch zu verstehen und aufzulösen, müssen wir als erstes beachten, daß Proudhon Franzose ist. Daraus ergeben sich zwei sehr wichtige Implikationen. Erstens bedeutet es, daß er in der Tradition der kontinentalen Philosophie steht, so daß er wie Nietzsche, Hegel und Foucault dazu neigt, etwas poetisch zu schreiben, manchmal sogar auf Kosten der Klarheit. Und zweitens war im Frankreich des 19. Jahrhunderts, wie in ganz Europa, ein großer Teil des Grund und Bodens immer noch im Besitz von Aristokraten, die ihr Land und damit ihren Reichtum nicht durch Arbeit und die Schaffung von Werten durch freiwillige Transaktionen erworben hatten, sondern durch ihre Zugehörigkeit zum Staat. Dieses Eigentum war also tatsächlich Diebstahl im direkten Rothbardschen Sinne. Das heißt, es war Land, das den Bauern, die es bearbeiteten, von einer Klasse von Erb-Adeligen gestohlen wurde, die den mittelalterlichen Staat bildeten.

Diese Landtitel wurden in der Französischen Revolution von 1789 zu Recht abgeschafft, später aber teilweise wiederhergestellt. In den 1840er Jahren, als Proudhon das Buch „Was ist Eigentum?“ schrieb, wurde die französische Gesellschaft erneut unzufrieden mit diesem Zustand. Das Eigentum, das Proudhon mit der Freiheit identifiziert, ist also im Prinzip nicht dasselbe wie das Eigentum, das er mit Diebstahl oder Raub identifiziert. Allerdings war er der Meinung, daß die beiden in der Praxis miteinander verwoben waren und der Kern seiner politischen Ideologie, die er „Anarchismus“ nannte, war ein Versuch, die beiden zu entflechten. An einer Stelle in „Was ist Eigentum?“ macht Proudhon dies deutlich, indem er sich mit einem anderen Philosophen, Pierre Leroux, in der Aussage einig ist:

Es gibt Eigentum und Eigentum - das eine gut - das andere schlecht. Da es nun angebracht ist, verschiedene Dinge mit verschiedenen Namen zu bezeichnen, müssen wir, wenn wir den Namen 'Eigentum' für das eine beibehalten, das andere Raub, Vergewaltigung, Brigandie nennen. Behalten wir dagegen den Namen „Eigentum' für das letztere, so müssen wir das erstere mit dem Ausdruck Besitz oder einem anderen Äquivalent bezeichnen; sonst würden wir uns mit einer unangenehmen Doppelbedeutung herumplagen.

Als ein klassischer liberaler Ökonom, Jérôme-Adolphe Blanqui, an Proudhon schrieb, daß er nicht wirklich das Eigentum abschaffen wolle, sondern den Mißbrauch des Eigentums, stimmte Proudhon im Grunde zu und sagte:

Herr Blanqui räumt ein, daß das Eigentum auf vielerlei schädliche Weise mißbraucht wird; ich nenne das Eigentum ausschließlich die Summe dieser Mißbräuche. Jedem von uns erscheint das Eigentum als ein Vieleck, dessen Ecken abgeschlagen werden müssen; aber wenn die Operation durchgeführt wird, behauptet Monsieur Blanqui, daß die Figur immer noch ein Vieleck sein wird, während ich der Meinung bin, daß diese Figur ein Kreis sein wird.

Es ist etwas seltsam, daß er dies sagt und dann fortfährt, Eigentum sei Freiheit, aber es war eine ganze Weile bevor er das in seinem Essay „Ökonomische Widersprüche“ schrieb, also hat er vermutlich in der Zwischenzeit seine Meinung darüber geändert, ob der Begriff „Eigentum“ gerettet werden könnte. Proudhon war nicht der Einzige, der sich an den Widersprüchen der damaligen Gesellschaft störte und in der Tat sollten die Spannungen bald in der Revolution von 1848 in Frankreich überkochen, die Teil des größeren sogenannten „Völkerfrühlings“ war, einer Reihe von liberalen Revolutionen in Europa. Im Zuge dieser Revolution, die sowohl von Proudhon als auch von seinem Lieblingsfeind, dem klassischen Liberalen Frederic Bastiat, unterstützt wurde, wurden die Adelstitel wieder abgeschafft. Doch im selben Jahr begann der Aufstieg einer anderen Idee, die zum Todfeind des Anarchismus von Proudhon werden sollte: Der Kommunismus. Obwohl Karl Marx von Proudhons Aufsatz „Was ist Eigentum?“ beeinflußt war, lehnte er Proudhons Ideen später ab und schrieb 1847 einen ganzen Aufsatz in dem er ihn angriff, mit dem Titel „Die Armut der Philosophie“.

Im Jahr darauf, inmitten der Revolutionen, veröffentlichten Marx und Engels das Kommunistische Manifest. Proudhon stellte seine Aussage „Eigentum ist Diebstahl“ mehrmals klar und prangerte den Kommunismus an. Im Jahr 1849, ein Jahr nach dem Völkerfrühling und der Veröffentlichung des Kommunistischen Manifests, veröffentlichte Proudhon die „Bekenntnisse eines Revolutionärs“, in denen er über seine Beteiligung an der Revolution reflektierte und seine Position etwas präzisierte. In diesem Dokument erklärte er:

In meinen ersten Memoiren, in denen ich die bestehende Ordnung frontal angriff, sagte ich zum Beispiel: Eigentum ist Diebstahl! Es ging mir darum, sozusagen kontrastierend, gegen die Nichtigkeit unserer Institutionen zu protestieren. Ich war damals mit nichts anderem beschäftigt. In den Memoiren, in denen ich diese verblüffende Behauptung durch A plus B demonstrierte, mußte ich sorgfältig sein, jeder kommunistischen Schlußfolgerung zu widersprechen.

Einer der amerikanischen Anhänger Proudhons, der Anarchist Benjamin Tucker, auf den wir später noch zu sprechen kommen werden, hat die Position Proudhons in einer Schrift verdeutlicht, die aufgrund der Tatsache, daß er kein Franzose ist, etwas leichter zu verstehen ist:

Es wird wahrscheinlich viele überraschen, die nichts von Proudhon wissen, außer seiner Erklärung, daß 'Eigentum Raub' sei, zu erfahren, daß er vielleicht der energischste Hasser des Kommunismus war, der je auf diesem Planeten gelebt hat. Aber die scheinbare Ungereimtheit verschwindet, wenn man sein Buch liest und feststellt, daß er mit Eigentum lediglich rechtlich privilegierten Reichtum oder die Macht des Geldzins meint und keineswegs den Besitz des Arbeiters an seinen Produkten. Wir glauben wie Proudhon, daß der Kommunismus die Religion der Armut und der Sklaverei ist; im Grunde ist er das Mehrheitsprinzip selbst und die Freiheit lebt, um ihn zu bekämpfen.

Sie werden in diesem ersten Zitat feststellen, daß Tucker wie Proudhon der Meinung war, daß Geldzins oder die Erhebung von Zinsen auf Kredite nicht existieren sollte. Steht das nicht im Gegensatz zu den Ansichten der modernen Anarchokapitalisten? Nun, es steht im Widerspruch zu unseren Vorhersagen, wie eine staatenlose Gesellschaft aussehen würde, aber nicht im Widerspruch zu unseren grundlegenden Ansprüchen, wie eine solche Gesellschaft aussehen sollte. Mit anderen Worten: Proudhon und Tucker waren nicht für ein gewaltsames Verbot des Geldzins, sondern sie waren der Meinung, daß dieser auf natürliche Weise verschwinden würde, wenn die vom Staat gewährten Privilegien abgeschafft würden.

In seiner Debatte mit Frederic Bastiat über dieses Thema stellte Proudhon klar: „Der Zins ist weder ein Verbrechen noch ein Vergehen“ und fährt fort:

Diese grundsätzliche Leugnung des Zinses zerstört unserer Meinung nach nicht das Prinzip - das Recht, wenn man so will - das den Zins hervorgebracht hat und das es ihm ermöglicht hat, trotz seiner Verurteilung durch die weltliche und kirchliche Autorität bis zum heutigen Tag fortzubestehen. Das eigentliche Problem, vor dem wir stehen, besteht also nicht darin festzustellen, ob der Geldzins an sich illegitim ist (in dieser Hinsicht sind wir der Meinung der Kirche) oder ob er eine Rechtfertigung für seine Existenz hat (in diesem Punkt stimmen wir mit den Wirtschaftswissenschaftlern überein). Das Problem besteht darin, ein Mittel zu finden, um den Mißbrauch zu unterdrücken, ohne das Recht zu verletzen - mit einem Wort, ein Mittel, um diesen Widerspruch in Einklang zu bringen.

Wer mit dieser Debatte nicht vertraut ist, kann den Kommentar von Roderick Long dazu lesen. An einer Stelle des Gesprächs lobt Bastiat Proudhon dafür, daß er den „Kommunismus zerschlagen“ hat. Den Link findet man am Ende dieses Beitrags. Bastiat gilt heute als einer der größten Denker des klassischen Liberalismus und es ist höchst bemerkenswert, daß er und Proudhon, trotz vehementer Meinungsverschiedenheiten über die Frage, ob es in einem freien Markt überhaupt Kreditzinsen geben würde, sich inhaltlich gut gegenseitig ergänzten und sich grundsätzlich auf der gleichen Seite zu sehen schienen. Dies gilt wahrscheinlich noch mehr für Bastiats größten Schüler, Gustave de Molinari, der als erster klassischer Liberaler für völlige Staatenlosigkeit eintrat. Wie Bastiat kritisierte Molinari Proudhon’s Position zu Zinsen, schrieb aber auch an Proudhon und lud ihn ein, einige seiner Schriften in Molinaris Zeitschrift zu veröffentlichen.

Auch dieses Thema der Zinsen wurde später von Benjamin Tucker in einer direkteren Sprache formuliert und zwar in seiner Antwort auf Auberon Herbert, einem britischen Denker, der den Begriff Voluntaryist (zu Deutsch Voluntarist) geprägt hatte. Herbert bezeichnete sich nicht als Anarchist, aber seine Positionen standen denen von Proudhon und Tucker sehr nahe, und er leistete häufig Beiträge für Tuckers Zeitschrift.

Auberon Herbert fragt mich in seinem Artikel „Free Life“, wie ich eine Kampagne gegen das Recht der Menschen, zu leihen und zu borgen, rechtfertige. Ich antworte, daß ich eine solche Kampagne nicht rechtfertige, daß ich nie versucht habe eine solche Kampagne zu rechtfertigen, daß ich eine solche Kampagne nicht befürworte und daß ich in der Tat ein entschiedener Gegner einer solchen Kampagne bin. Im Gegenzug frage ich Herrn Herbert, wie er es rechtfertigt, daß er mir anscheinend den Wunsch nach einer solchen Kampagne unterstellt. Es stimmt, daß ich erwarte, daß die Kreditvergabe und -aufnahme verschwindet, aber nicht durch die Verweigerung des Rechts auf Kreditvergabe und -aufnahme. Im Gegenteil, ich erwarte, daß sie durch die Bestätigung und Ausübung eines Rechts verschwinden, das jetzt verweigert wird, nämlich das Recht, den eigenen Kredit zu nutzen oder ihn frei gegen den eines anderen zu tauschen, so daß der eine oder andere Kredit die Funktion eines Umlaufmediums erfüllen kann, ohne daß für dieses Privileg eine Steuer gezahlt werden muß.

Im Grunde sagt er das Gleiche in einer Antwort auf einen anderen Leser seiner Zeitschrift Liberty:

Kein Anarchist bestreitet, daß es völlig legitim ist, sich zu den Bedingungen zu verschulden, die auf einem freien Markt vereinbart werden können. Der Vorwurf des Anarchismus ist, daß der Markt nicht frei ist und daß die dort getätigten Transaktionen notwendigerweise mit Ungerechtigkeit behaftet sind. Gegenwärtig werden dem jungen Mann, wenn er sich etwas leiht, sei es vom Koch oder von der Bank, die Vertragsbedingungen zu seinem Nachteil diktiert und zwar durch ein gesetzliches Privileg oder Monopol, das die Bank genießt.

So wie viele moderne Anarchokapitalisten auch forderte Proudhon einen kontrollierten Prozeß der politischen Reform und des Übergangs zur Staatenlosigkeit nach der revolutionären Eroberung des Staates. In seinem Essay „Der Staat, sein Wesen, sein Zweck und seine Bestimmung“ stellt Proudhon klar, daß dieser Prozeß Marktreformen und eine Steuerreform beinhalten sollte und prangert die Idee an, „die Reichen zu enteignen“ und die allgemeine Steuerlast zu erhöhen:

Die Februarrevolution hat zwei Hauptfragen aufgeworfen: eine wirtschaftlich, die Frage der Arbeit und des Eigentums; die andere politisch, die Frage der Regierung oder des Staates. In der ersten dieser Fragen ist sich die sozialistische Demokratie im Wesentlichen einig. Sie räumt ein, daß es nicht um die Beschlagnahme und Aufteilung des Eigentums oder gar um dessen Rückkauf geht. Es geht auch nicht darum, den vermögenden und besitzenden Klassen auf unehrliche Weise zusätzliche Steuern aufzuerlegen, die zwar gegen das in der Verfassung anerkannte Prinzip des Eigentums verstoßen, aber nur dazu dienen würden, die allgemeine Wirtschaft umzuwerfen und die Lage des Proletariats zu verschlimmern. Die Wirtschaftsreform besteht einerseits darin, den Geldzinskredit der Konkurrenz zu öffnen und dadurch das Kapital um seine Einkünfte zu bringen, d. h. in jedem Bürger in gleichem Maße das Vermögen des Arbeiters und das des Kapitalisten zu erkennen; andererseits darin, das ganze System der bestehenden Steuern, die nur den Arbeiter und den Armen treffen, abzuschaffen und sie alle durch eine einzige Kapitalsteuer als Versicherungsprämie zu ersetzen. Durch diese zwei großen Reformen wird eine soziale Wirtschaft von Grund auf neu aufgebaut, die Handels- und Arbeitsbeziehungen werden umgekehrt und die Gewinne, die jetzt dem Kapitalisten sicher sind, kehren zu den Arbeitern zurück. Die Konkurrenz, die bisher anarchisch und subversiv war, wird zu einer nachahmenden und fruchtbaren; da es keine Märkte mehr gibt, haben Arbeiter und Arbeitgeber, die eng miteinander verbunden sind, keine Stagnation oder Aussetzung mehr zu befürchten. Eine neue Ordnung wird auf den abgeschafften oder erneuerten alten Institutionen errichtet. Wir behaupten also, und bisher sind wir die Einzigen, die dies behaupten, daß mit der wirtschaftlichen Revolution, die nicht mehr zur Diskussion steht, der Staat völlig verschwinden muß.

Du wirst in dieser Passage feststellen, daß Proudhon auf die sozialistische Demokratie bezogen sagt, daß sie mit ihm darin übereinstimmt, daß das Eigentum der Reichen im Allgemeinen nicht beschlagnahmt oder stärker besteuert werden sollte. Das ist interessant, denn das ist sicherlich nicht die Position der selbsternannten Sozialisten von heute. Dies spiegelt die Tatsache wieder, daß der Sozialismus zu diesem Zeitpunkt ein relativ neuer Begriff war, dessen Bedeutung sich noch stark im Wandel befand. Proudhon benutzte den Begriff Sozialist, um eine allgemeine Verbundenheit mit den unteren sozialen Klassen zu signalisieren und den Glauben, daß es ihnen besser gehen würde, wenn seine Ideen umgesetzt würden, was nicht ist wie der Begriff später benutzt werden würde. Er identifizierte den Sozialismus auch mit der Idee, daß einige Dinge kollektives Eigentum sein könnten und sollten, solange dies freiwillig geschieht. Zu diesem Thema schrieb er:

Wenn Sie mit Sozialismus das soziale Recht im Gegensatz zum individuellen Recht meinen, akzeptiere ich dieses System als integralen Bestandteil des gesamten Systems der Menschheit; aber wenn Sie beabsichtigen, ihm die Vorherrschaft über die Freiheit zu geben, lehne ich es ab. Das ist Kommunismus.

Man könnte aus heutiger Sicht Proudhon einen „libertären Sozialisten“ nennen, aber er hat diesen Begriff nie für sich selbst verwendet. Tatsächlich war die einzige und auch erste Person, die sich zu Proudhons Zeiten als Libertärer bezeichnete, Joseph Dejacque. Ironischerweise war Dejacque ein erbitterter Rivale Proudhons und prangerte dessen Individualismus an. Zunächst identifizierte sich Dejacque mit Proudhons Begriff „Anarchist“, doch schon bald begann er, häufiger den Begriff „Libertär“ zu verwenden und nannte Proudhon einen „Anarchisten der rechten Mitte, liberal und nicht libertär“. Im Gegensatz zu vielen anderen selbsternannten Sozialisten jener Zeit war Dejacque überhaupt nicht der Meinung, daß die Arbeiter ein Recht an den Früchten ihrer Arbeit haben. Stattdessen vertrat er die Ansicht, daß der eigene wirtschaftliche Beitrag irrelevant sei und daß jeder, der etwas Wertvolles produziere, verpflichtet sei es kostenlos an denjenigen abzugeben, der es brauche. Es bedarf wohl keiner Erklärung, um zu sehen, daß dies die Weltanschauung eines Parasiten ist. Glücklicherweise blieb dies zu Dejacques Lebzeiten eine irrelevante Idee. Weder seine kommunistischen Ansichten noch seine Verwendung des Wortes „Libertär“ konnten sich durchsetzen. Dejacques Zeitschrift „Le Libertaire“ wurde nur 3 Jahre lang von 1858 bis 1861 herausgegeben. Solange Proudhon lebte, blieb die anarchistische Bewegung als Ganzes relativ nah an seinen Ansichten. Selbst diejenigen, die sich selbst als Anarchisten bezeichneten, obwohl sie Meinungsverschiedenheiten mit Proudhon hatten, stimmten mit ihm in vielen Dingen überein, die den modernen Anarchokommunisten nicht gefallen würden. Nehmen wir zum Beispiel Anselme Bellegarrigue. Er war der Autor des ersten anarchistischen Manifests, das 1850 verfaßt wurde. Aus diesem Dokument stammt der oft zitierte Satz: „Anarchie ist Ordnung, Regierung ist Bürgerkrieg“. Dieser Satz wurde später durch das berühmte Symbol des A im O dargestellt, das für Anarchie und Ordnung steht. Interessant an Bellegarrigue ist, daß er eigentlich kein Anarchist im Sinne der heutigen Definition war, da er der Meinung war, daß der Staat nur in einer minimalen Form existieren und lediglich das Leben und das Eigentum der Bürger vor inländischen Kriminellen und ausländischen Armeen schützen sollte. Wie es im anarchistischen Manifest heißt:

Es gibt nur zwei Punkte im Volk, in denen es keine Meinungsverschiedenheiten geben kann, zwei Punkte, in denen der gesunde Menschenverstand aller Parteien übereinstimmt, unabhängig von den Einzelheiten. Diese zwei Punkte sind: Die Unterdrückung von Verbrechen gegen die Person und das Eigentum, sowie die Verteidigung des Territoriums … Warum also sollten wir den Schutzgeist einer Regierung außerhalb dieses Reservoirs der gemeinsamen Bestrebungen aller suchen? Warum sollten wir zulassen, daß diesem Trank, der für die Gesundheit aller zubereitet wurde, eine Dosis individueller Anhaftungen beigemischt wird?

Korrekt, das Anarchiesymbol, das Kommunisten heute verwenden, entstand aus einem Zitat eines waschechten Minimalstaatlers! Die wichtigste Implikation der Tatsache, daß Bellegarrigue diese Position vertrat, ist, daß sie zeigt, daß frühe Anarchisten glaubten, daß Privateigentum prinzipiell geschützt werden sollte, sogar durch den Staat, wenn sie es für nötig hielten. Bellegarrigue argumentiert weiter, daß Konservative und Liberale Angst vor dem Sozialismus haben, aber nicht sollten, weil der Sozialismus oder irgendeine andere Doktrin ihr Eigentum nicht anrühren kann, es sei denn, es wird durch den Staat vorgeschrieben, und deshalb ist es wirklich der Staat, vor dem sie Angst haben sollten. In seinen eigenen Worten:

Es wird also gezeigt, daß der Sozialismus an sich nicht mehr zu fürchten ist als jede andere philosophische Doktrin. Es wird festgestellt, daß er nur unter der Bedingung des Regierens gefährlich werden kann. Das läuft darauf hinaus, zu sagen, daß nichts gefährlich ist, was nicht regiert; daraus folgt, daß derjenige, der regiert, schon gefährlich ist oder gefährlich werden kann - und die strenge Konsequenz ist, daß die Nation keinen anderen gemeinsamen Feind haben kann als die Regierung.

Als Proudhon 1865 starb, wurde der Begriff „Anarchist“ jedoch von einigen Personen übernommen, die weitaus gravierendere Abweichungen von seiner Ideologie aufwiesen als Bellegarrigues Minarchismus. 1864 wurde die Internationale Arbeitervereinigung gegründet, die später als Erste Internationale bekannt wurde, ein ideologisch eklektischer Zusammenschluß von Gruppen, die mit der Arbeiterbewegung verbunden waren. Ein gemeinsames Thema ihrer Mitglieder war die Identifikation mit dem Begriff Sozialismus, obwohl einige Bestandteile der Gruppe als „Sozialisten“ im Sinne der modernen Definition erkennbar waren, andere wiederum nicht. Auf den ersten Kongressen der Gruppe dominierten die Proudhonianischen Anarchisten weitgehend die Diskussion. Einmal tauchten Blanquiisten auf (die Anhänger von Blanqui waren, aber nicht der bereits erwähnte klassisch-liberale Blanqui, sondern sein jüngerer Bruder, der ein etatistischer Kommunist war) und prangerten die Proudhonisten an, aber sie wurden bald aus dem Kongreß geworfen. Leider sollte dies nicht das letzte Mal sein, daß sich ihre Wege kreuzen würden. Bevor Proudhon starb, hatte er seinen treuesten Schüler, Gustave Chaudey, zum Testamentsvollstrecker seines Nachlasses ernannt und erwartete im Grunde, daß er sein Nachfolger als nächster Kalif des Anarchismus werden würde. daß niemand von Chaudey gehört hat, obwohl er von Proudhon zum Nachfolger erklärt wurde, hängt einerseits mit den Blanquiisten und andererseits mit dem Anarchisten Michail Bakunin zusammen. Obwohl Bakunin Proudhon nie persönlich nahe stand, war er doch sehr von ihm beeinflußt, und zwar so stark, daß er sich selbst als Anarchist bezeichnete, obwohl er sicherlich auch von Karl Marx beeinflußt war.

Bakunin war ein pan-slawischer Nationalist und ließ sich von den Eigentumsnormen der russischen Bauernschaft inspirieren, die stärker kollektivistisch und gemeinschaftlich ausgerichtet waren als die in Westeuropa. Obwohl er manchmal behauptete, der wahre Nachfolger von Proudhon zu sein, kritisierte er Proudhons Individualismus mit den Worten:

Wie lächerlich sind die Ideen der Individualisten der Schule von Jean Jacques Rousseau und der Proudhon'schen Mutualisten, die sich die Gesellschaft als das Ergebnis des freien Vertrags von Individuen vorstellen, die absolut unabhängig voneinander sind und nur aufgrund der zwischen den Menschen geschlossenen Konvention in gegenseitige Beziehungen treten. Als wären diese Menschen vom Himmel gefallen und hätten die Sprache, den Willen, das ursprüngliche Denken mitgebracht, als wären sie allem Irdischen, d.h. allem, was einen sozialen Ursprung hat, fremd.

Als Proudhon älter wurde, machte er seine Ansichten über das Eigentum immer deutlicher, und zwar nicht in einer Weise, die Bakunin gefiel. Auf seinem Sterbebett erklärte Proudhon:

Ich beteuere, daß ich mit meiner Kritik am Eigentum oder vielmehr an der Gesamtheit der Institutionen, deren Dreh- und Angelpunkt das Eigentum ist, weder die durch frühere Gesetze anerkannten individuellen Rechte angreifen, noch die Legitimität des erworbenen Besitzes in Frage stellen, noch eine willkürliche Verteilung der Güter anregen, noch den freien und regulären Erwerb von Eigentum durch Kauf und Verkauf behindern, ja nicht einmal den Mietzins und den Kapitalzins durch ein hoheitliches Dekret verbieten oder abschaffen wollte. Ich bin der Meinung, daß alle diese Erscheinungsformen menschlicher Tätigkeit für alle frei und möglich bleiben sollten; ich würde keine anderen Abänderungen, Beschränkungen oder Unterdrückungen zulassen, als die, die sich natürlich und notwendigerweise aus der Universalisierung des Prinzips der Gegenseitigkeit und des von mir vertretenen Gesetzes der Synthese ergeben. Dies ist mein letzter Wille und Testament. Ich gestatte nur demjenigen an meiner Aufrichtigkeit zu zweifeln, der im Angesicht seines Todes lügen könnte.

Bakunin ignorierte dies im Wesentlichen und entschied sich dafür, Proudhon so zu interpretieren, daß er die Kollektivierung des Eigentums befürwortete. Wie zu erwarten war, wollte der Nachlaßverwalter von Proudhon, Gustave Chaudey, davon nichts wissen. Die beiden Männer befanden sich auf Kollisionskurs, was sich in den ersten Treffen sowohl der Ersten Internationale als auch einer anderen Gruppe mit weitgehend überlappender Mitgliedschaft, der Liga für Frieden und Freiheit, zeigen sollte. Die Liga für Frieden und Freiheit wurde als Reaktion auf die wachsenden Spannungen zwischen Frankreich und Preußen gegründet und sollte einen Krieg zwischen den beiden Mächten verhindern. In der Praxis debattierten sie jedoch oft über beliebige Dinge, bei denen sie sich nicht einig waren. Eines dieser Themen war natürlich das Eigentum. Auf dem zweiten Jahreskongreß der Organisation in Bern, Schweiz, stimmten die Mitglieder darüber ab, wie ihre offizielle Position zur Kollektivierung von Land in Privatbesitz aussehen sollte. Chaudey stimmte zusammen mit den meisten der sich selbst als Anarchisten bezeichnenden Mitglieder dagegen, was auch Sinn machte, da zu dieser Zeit unter Anarchisten hauptsächlich Personen verstanden wurden, die mehr oder weniger die Ansichten Proudhons vertraten. Bakunin wurde jedoch zum Anführer einer neuen Fraktion von selbsternannten Anarchisten, die sich selbst als Kollektivisten bezeichneten. Sie stimmten mit Karl Marx und anderen Staatssozialisten für die Kollektivierung des Eigentums. Glücklicherweise gewannen die Proudhonisten trotz dieser Abtrünnigen die Abstimmung. Wie Chaudey in einem Brief berichtet:

Wir haben in Bern eine gute Arbeit geleistet. Ich befand mich im Nahkampf mit dem berühmten Bakunin, dem russischen Revolutionär, der alle Kollektivisten oder Anhänger des Kollektiveigentums in seinem Gefolge hatte. Das ist ein neues Wort für die alte Leier vom Kommunismus. Sie haben auch keine Vorstellung mehr von der föderalistischen Idee, die, indem sie sie ausdehnen und über das Konkrete hinauswachsen lassen (das Konkrete ist der wahre Realismus), sie zu einer reinen Abstraktion, einer Chimäre, einer nicht wahrnehmbaren Allgemeinheit, einer sentimentalen Banalität reduzieren. Gegen all das haben wir uns mit aller Kraft und Entschlossenheit gewehrt und mit einem vollständigen Sieg haben wir die Friedensliga auf einer ernsthaften und soliden Grundlage wiederhergestellt.

Dadurch wurde die Kluft zwischen den Individualisten unter Chaudey und den Kollektivisten unter Bakunin weiter vertieft und Bakunin näherte sich Marx weiter an. Tatsächlich schrieb Bakunin kurz nach diesem Vorfall in einem Brief an Marx:

Ich verstehe besser als je zuvor, wie recht Sie haben, wenn Sie uns alle auffordern, auf dem breiten Weg der ökonomischen Revolution zu marschieren, und wenn Sie diejenigen unter uns verunglimpfen, die sich auf den Pfaden entweder nationaler oder ausschließlich politischer Unternehmen verlieren würden. Ich tue nun das, was Sie selbst vor mehr als zwanzig Jahren zu tun begonnen haben. Seit dem feierlichen und öffentlichen Abschied, den ich auf dem Berner Kongress an die Bourgeoisie gerichtet habe, kenne ich keine andere Gesellschaft, kein anderes Milieu mehr als die Welt der Arbeiter. Meine Heimat ist jetzt die Internationale, zu deren Hauptbegründern Sie gehören. Sie sehen also, lieber Freund, daß ich Ihr Schüler bin - und ich bin stolz darauf, es zu sein.

Obwohl er die Abstimmung verlor, begann Bakunin leider andere Anarchisten auf denselben Weg zu führen, den er ging. Der Wendepunkt kam, nachdem es der Liga für Frieden und Freiheit nicht gelungen war den französisch-preußischen Krieg zu verhindern und Frankreich eine entscheidende Niederlage erlitten hatte. Schon bald belagerten die Preußen Paris, das zufällig eine Hochburg der revolutionären Bewegung war. Dies führte zu einer Art Staatsstreich in der Stadt Paris, bei dem Revolutionäre die kleine Garnison der Armee entwaffneten und die Stadt übernahmen, die Beziehungen zur französischen Regierung abbrachen und eine neue Regierung ausriefen: die Pariser Kommune. Die Führung der Pariser Kommune war ideologisch noch vielfältiger als die der ersten Internationalen. Viele von ihnen bezeichneten sich nicht einmal unbedingt als sozialistisch, sondern einfach als Republikaner, die gegen das französische Kaiserreich und seinen Kaiser Napoleon III waren. Die größte einzelne Fraktion des gewählten Rates der Kommune war einfach als „Unabhängige Revolutionäre“ bekannt und ideologisch eher vage.

Auch mehrere proudhonistische Anarchisten nahmen an der Kommune teil, darunter auch Chaudey selbst, aber sie waren der Fraktion, die sie am meisten hasste, zahlenmäßig und organisatorisch unterlegen: den Blanquiisten. Zur Ideologie der Blanquiisten gehörte die Bildung von Geheimzellen, die bereit waren, die Regierung gewaltsam zu stürzen, wenn die Zeit reif wäre, eine Denkweise, die den Proudhonisten fremd war. Als die Blanquiisten ihre Chance sahen, begannen sie natürlich, die Kontrolle über die Kommune zu übernehmen und übten einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf das Projekt aus. Da die Stadt zunächst von der preußischen und später von der französischen Armee umzingelt war, konnte proudhonistische Verstärkung aus anderen Teilen Frankreichs nicht kommen, um Chaudey zu unterstützen.

Wenige Tage vor der Einnahme der Kommune durch die französische Armee beschlossen die Blanquiisten natürlich diese Gelegenheit zu nutzen, um den Kopf der anarchistischen Bewegung abzuschlagen. Sie beschuldigten Chaudey fälschlicherweise ein Spion der französischen Regierung zu sein und richteten ihn hin. Chaudeys letzte Worte waren: „Ich werde euch zeigen, wie ein Republikaner stirbt!“ und dann mehrere Rufe „Es lebe die Republik!“, als er von den Blanquiisten erschossen wurde. Anstatt den ungeheuerlichen Mord an seinem anarchistischen Mitstreiter durch Etatisten zu verurteilen, sagte Bakunin mehr oder weniger, daß Chaudey bekommen hatte, was er verdiente. In den folgenden Sitzungen der Ersten Internationale tat sich Bakunin mit einem gleichgesinnten belgischen kollektivistischen Anarchisten namens Ceasar De Paepe zusammen und machte sich an die Arbeit die anarchistische Fraktion davon zu überzeugen, daß Chaudey, Proudhons handverlesener Nachfolger, die Ansichten Proudhons falsch dargestellt und sogar Dokumente gefälscht hätte. Diese Propagandakampagne gegen die nun führerlosen individualistischen Anarchisten erwies sich als sehr wirkungsvoll. Bald wurden selbst die französischen und belgischen Anarchisten, die einst die Hochburg des Individualismus gebildet hatten, entweder zum Kollektivismus bekehrt oder aus der internationalen Arbeitervereinigung vertrieben.

Nachdem die Individualisten nun erledigt waren, wandten sich Karl Marx und seine Etatisten gegen ihre einstigen Verbündeten, die Anarcho-Kollektivisten, und schlossen 1872 Bakunin und die übrigen Anarchisten aus der Ersten Internationale aus. Marx nutzte seinen Einfluß, um die nächste Versammlung in den Niederlanden stattfinden zu lassen, wo er wußte, daß Bakunin nicht teilnehmen konnte. Dies lag daran, daß Bakunin sich in der Schweiz aufhielt und sowohl in Frankreich als auch im neu gegründeten Deutschen Reich gesucht wurde. Bakunin war also nicht da, um sich zu verteidigen, als über seinen Ausschluß abgestimmt wurde. Bakunin und De Paepe waren im Grunde nützliche Idioten für Marx gewesen. Nach dieser Säuberung gründeten die kollektivistischen Anarchisten ihre eigene Organisation, den Kongress von Saint-Imier, mit Sitz in der Schweiz.

An dieser Stelle soll erwähnt werden, daß Bakunin und seine Anhänger, obwohl Kollektivisten, keine Kommunisten waren. Sie lehnten die Idee „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“ ab. Bakunins wirtschaftliche Ansichten waren etwas vage, kamen aber dem, was später als Syndikalismus bekannt wurde, ziemlich nahe, nämlich der Idee, daß Gruppen von Arbeitern und Bauern gemeinsam ihre eigenen Fabriken und Bauernhöfe besitzen und mit anderen ähnlich organisierten Gruppen von Arbeitern und Bauern Handel treiben sollten. Die Anhänger Bakunins jedoch entfernten sich im Laufe der nächsten vier Jahre allmählich von dieser Auffassung und als Bakunin 1876 starb, entfernte sich der europäische Anarchismus noch weiter von seinen proudhonistischen Ursprüngen.

Auf der Versammlung von 1877 verkündete die italienische Sektion des Kongresses von St. Imier unter der Leitung eines Mannes namens Errico Malatesta ihre Zugehörigkeit zum so genannten „Anarcho-Kommunismus“, einer Ideologie, die von den Lehren eines der größten Feinde Proudhons, Joseph Dejacque, inspiriert war. Da Bakunin nun tot war und somit unfähig gegen sie zu argumentieren, überzeugten sie die meisten anderen Anarcho-Kollektivisten, sich ihnen anzuschließen und lösten den Kongress auf: der endgültige Todesstoß für die alte europäische anarchistische Bewegung um Proudhon. Das ist also die deprimierende Tragödie des europäischen Anarchismus. Proudhon verbrachte 25 Jahre, von 1840 bis 1865, mit dem Aufbau einer Bewegung, die zwar nicht perfekt mit dem modernen Anarcho-Kapitalismus übereinstimmte, ihm aber tatsächlich recht nahe kam.

In den darauffolgenden 12 Jahren zerfiel sie völlig, verfiel zunächst dem Kollektivismus und dann in nackten Kommunismus, bevor ihre Hauptorganisation ganz aufgelöst wurde. Die Bewegung ging von einer Nähe zu Gustave de Molinari, allerdings mit unterschiedlichen Auffassungen über Zinsen, zu einer Nähe zu Karl Marx, allerdings mit unterschiedlichen Auffassungen über den besten Zeitpunkt zur Abschaffung des Staates. Aber die Flamme war noch nicht erloschen!

Auf der anderen Seite des Atlantiks, in Amerika, hatte ein junger Anarchist namens Benjamin Tucker mit Bestürzung den Zerfall der europäischen anarchistischen Bewegung beobachtet und sich entschlossen sein Bestes zu tun das wieder in Ordnung zu bringen. Tucker verurteilte Bakunin nicht annähernd so hart wie die meisten modernen Voluntaristen, aber er hatte eine tiefe Verachtung für die selbsternannten „Anarcho-Kommunisten“, die Proudhons Bewegung, den Anarchismus, entstellt hatten. Im Jahr 1881, im Alter von 27 Jahren, gründete Tucker eine anarchistische Zeitschrift namens Liberty, in der er und viele andere für die Ansichten der ursprünglichen anarchistischen Bewegung eintraten.

Tuckers größtenteils amerikanisches Publikum ließ sich nicht so leicht vom Kollektivismus überzeugen, was zum Teil, wie Karl Marx bemerken würde, an dem unterschiedlichen Kontext zwischen Amerika und Europa lag. Während es in Europa eine starke Konzentration von Reichtum und Land gab, die noch direkt aus dem Feudalismus stammte, gab es in Amerika riesige Gebiete von zuvor unbewohnter Wildnis, die von relativ armen Menschen beansprucht und besiedelt wurden, die ihr Vermögen durch freiwillige Transaktionen machten. Obwohl es viele Mißbräuche gab, die vom Staat ermöglicht wurden, wie z.B. die Sklaverei und den Völkermord an den amerikanischen Ureinwohnern, war Amerika eindeutig ein relativ unbeschriebenes Blatt im Vergleich mit Europa. Dadurch waren Proudhons „gutes Eigentum“ und „schlechtes Eigentum“ wesentlich weniger miteinander verwoben als in Europa.

Tucker betrachtete den Anarchismus auch als logische Schlußfolgerung und Auswuchs der besten Ideen der Amerikanischen Revolution und ging sogar so weit berühmt zu witzeln:

Die Anarchisten sind einfach unerschrockene Jeffersonianische Demokraten. Sie glauben, daß „die beste Regierung diejenige ist, die am wenigsten regiert“ und diejenige, die am wenigsten regiert, ist überhaupt keine Regierung.

In derselben Passage vertritt Tucker auch die Idee von konkurrierenden privaten Sicherheitsdiensten, so wie auch Rothbard. Oder genauer gesagt: Rothbard würde später diese Idee vertreten, so wie Tucker. Tucker schreibt:

Sogar die einfache polizeiliche Funktion des Schutzes von Personen und Eigentum sprechen sie den Regierungen ab, die durch Zwangssteuern unterstützt werden. Sie betrachten Schutz als eine Sache, die, soweit notwendig, durch freiwillige Vereinigung und Zusammenarbeit zur Selbstverteidigung gesichert werden sollte oder als eine Ware, die wie jede andere Ware von demjenigen gekauft werden wird, der den besten Artikel zum niedrigsten Preis anbietet. Ihrer Ansicht nach ist es selbst ein Angriff auf das Individuum, den ungebetenen und unerwünschten Schutz vor Übergriffen erdulden und bezahlen zu müssen.

Nichtsdestotrotz sah Tucker wie schon Proudhon den Anarchismus als eine Bewegung auf der Seite der Arbeiter an, in ihrem Streben nach Abschaffung von gesetzlichen Privilegien und Monopolen, was seiner Meinung nach zur Abschaffung des Zinses und zu einer egalitäreren Gesellschaft zugunsten der Arbeiter führen würde. Wie er es ausdrücken würde: „Laissez Faire war eine sehr gute Sauce für die Gans, die Arbeit, aber eine sehr schlechte Sauce für den Ganter, das Kapital.“

Aus diesem Grund identifizierte sich Tucker weiterhin als Sozialist. Er war nicht nur der Ansicht, daß der freie Markt den Geldzins abschaffen würde, sondern auch, daß er den Mietzins weitgehend abschaffen würde. Auch dies wird von modernen Pseudo-Anarchisten oft als sog. „Beweis“ dafür angeführt, daß seine Ansichten mit dem modernen Anarchokapitalismus unvereinbar seien. Aber auch hier gilt: Wenn man sich mit den Einzelheiten seiner Ansichten befaßt, ist diese Interpretation nicht haltbar. In einem Briefwechsel mit einem Leser von Liberty, der unter dem Pseudonym „Egoist“ auftritt, erklärt Tucker, warum er glaubt, daß die Miete in der Anarchie des freien Marktes nicht oder zumindest weniger häufig vorkommen wird.

Der Briefwechsel ist sehr lang, aber hier eine Zusammenfassung: Er sagt, daß die Kosten für die Einstellung einer Person oder eines privaten Sicherheitsunternehmens zur Verteidigung eines Stücks Land oft höher sind als der Wert der Miete, die man für das Land verlangen könnte und daß es daher nicht rentabel wäre von den Menschen Miete zu verlangen. Er sagt, daß der Grund dafür, daß die Menschen jetzt in der Lage sind dies zu tun, darin liegt, daß der Staat existiert und abwesenden Besitz subventioniert, indem er jedermanns Land kostenlos mit der Polizei schützt. Moderne Anarchokapitalisten neigen dazu, dieser Argumentation zu widersprechen, aber genau wie seine und Proudhons Position zum Zins läuft dies wirklich nur auf unterschiedliche wirtschaftliche Vorhersagen über den freien Markt hinaus. Es stimmt, daß Tucker hoffte, daß sich die Dinge so entwickeln würden, aber das ist im Grunde dieselbe Position, die unsere linkslibertären, marktanarchistischen Freunde vom C4SS (Center for a Stateless Society) vertreten und obwohl sie sich wie Tucker aus diesen Gründen nicht gerne als Kapitalisten bezeichnen, laufen sie nicht herum und behaupten, daß AnCaps keine echten Anarchisten sind, wie es die modernen Kommunisten tun.

Es sollte auch darauf hingewiesen werden, daß Tucker mehrere Grundstücke, sein persönliches Haus und auch seinen Buchladen, Unique Books, in New York besaß. Tucker betrieb diesen Buchladen als Privatunternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht und hatte dort mindestens einen Angestellten, dem er ein Gehalt zahlte. Tucker suchte auch den Kontakt zu den Überbleibseln der anarchistischen Bewegung in Europa und anderswo. Im selben Jahr, in dem er Liberty ins Leben rief, 1881, wurde in London eine neue internationale anarchistische Organisation gegründet: die International Working People's Association oder Schwarze Internationale. In der zweiten Ausgabe von Liberty begrüßte Tucker die neue Organisation mit Optimismus und der Entschlossenheit sie nicht den Weg der ersten Internationale gehen zu lassen. Er schrieb:

Ein wesentliches Merkmal dieser Neugründung der Internationalen ist die gänzliche Übereinstimmung ihres neuen Organisationsplans mit streng anarchistischen Prinzipien. Es wurde jede Vorsichtsmaßnahme getroffen, um auch nur den Anschein von Autorität zu vermeiden und den einzelnen Gliedern der Vereinigung die größtmögliche Freiheit zu sichern. Gut! In Freiheit liegt Stärke. Zukünftig ist die Internationale sicher vor der Zerstörung von innen durch Ehrgeiz oder von außen durch Böswilligkeit.

Obwohl sie in London gegründet wurde, sollte die Stärke der neue Gruppe vor allem in Amerika liegen. Tuckers Optimismus sollte sich jedoch bald in Luft auflösen als die Schwarze Internationale begann dem Kommunismus zu erliegen. Einer der Hauptarchitekten dieser Bewegung war Tuckers Erzrivale Johann Most. Ursprünglich ein deutscher marxistischer Politiker begann Most sich selbst als Anarchist zu bezeichnen, was dazu führte, daß er aus der marxistischen Partei Deutschlands, der SDAP, ausgeschlossen wurde und zwar ein Jahr bevor Tucker mit der Veröffentlichung von Liberty begann. Bald darauf wanderte Most nach Chicago aus, wo er zum Kern der sogenannten anarcho-kommunistischen Bewegung in Amerika wurde. Seine Anhänger waren zumeist deutsche Einwanderer in Chicago und sie begannen nach und nach die Schwarze Internationale (International Working People's Association) zu übernehmen. Beobachter sprachen damals von einer Spaltung zwischen Tucker’s „Bostoner Anarchisten“, die Individualisten waren und Most’s „Chicagoer Anarchisten“, die Kommunisten waren. Tucker beschrieb die Beziehung zwischen den beiden später so:

John Most pflegte zu sagen - und ich weiß, daß die meisten Kommunisten ihm zustimmen - daß in der Nacht der Revolution der erste Programmpunkt ein Massaker an den „Tuckeristen“ sein wird.

Tucker gab tatsächlich mehrere Ausgaben einer deutschsprachigen Version von Liberty namens „Libertas“ heraus, um mit Mosts Zeitung „Freiheit“ unter den deutschsprachigen Chicagoern zu konkurrieren, aber sie erreichte keine große Popularität. Most fuhr fort die International Working People's Association mit seiner abenteuerlichen Befürwortung von Aufständen und Attentaten in den Ruin zu treiben, was 1886 im Haymarket Riot gipfelte bei dem sich Mosts Bande eine bewaffnete Auseinandersetzung mit der Bande lieferte, die sich selbst Polizei nannte. Dies führte dazu, daß sieben prominente Chicagoer Anarchisten zum Tode verurteilt wurden und ein allgemeines hartes Vorgehen gegen anarchistische Aktivitäten einsetzte. Nach dieser Affäre reagierte Tucker in Liberty auf den Vorschlag seine Bewegung solle aufhören sich anarchistisch zu nennen, um sich von den bombenwerfenden kommunistischen Terroristen zu distanzieren. Tucker bestand darauf, nicht nachzugeben und schrieb:

Mein Genosse aus Wichita Falls, Mr. Warren, unterliegt einem Irrtum, wenn er mich beschuldigt „die Nomenklatur einer Klasse anzunehmen mit der kein Individualist harmonieren könnte“, womit er, wie ich annehme, die Kommunisten meint, die sich Anarchisten nennen. Ist sich Herr Warren darüber im Klaren, daß die Männer aus Chicago nicht im Traum daran dachten den Namen Anarchist anzunehmen bis lange nach der Gründung von Liberty und daß die kommunistischen Anarchisten Europas sich nicht so nannten bis fast vierzig Jahre nachdem Proudhon den Namen zum ersten Mal in der Welt benutzte, um eine soziale Philosophie zu bezeichnen? Proudhon war ein Individualist und ihm und denjenigen, die grundsätzlich mit ihm übereinstimmen, gebührt das Recht das Wort Anarchie in der wissenschaftlichen Terminologie zu gebrauchen. Wir Individualisten sind Inhaber des ursprünglichen Titels und wir haben nicht vor uns von dem ersten Emporkömmling von Kommunisten vertreiben zu lassen, der mit einem betrügerischen Anspruch daherkommt.

Trotz diesem Beharren experimentierten Tucker und seine Freunde mit einigen anderen Begriffen für ihre Ideen. Im Jahr 1884 schrieb Tucker in Liberty, daß „die Welt sich schnell in zwei Schulen teilt, die Autoritären und die Libertären, die Archisten und die Anarchisten“. In der Folge bezeichnete er sich selbst gelegentlich als Libertären, obwohl er das Wort Anarchist bevorzugte. Das Tucker Dejacques Begriff „Libertär“ verwendet, ist aus mehreren Gründen nicht so zu verstehen, daß sich Tucker auf derselben Seite wie Joseph Dejacque sah. Erstens, falls es noch nicht klar ist: Tucker war ein riesiger Fanboy von Proudhon, den Dejacque haßte. Zweitens, obwohl Dejacque das Wort Kommunismus nicht wirklich benutzt hat, war er eindeutig ein Kommunist und wie ich bereits in einer Million Zitaten gezeigt habe, haßte Tucker den Kommunismus. Man könnte somit sagen, daß Tucker das Wort „Libertärer“ von den Kommunisten gestohlen hat, allerdings gibt es hier einige Nuancen. Dejacque war eine ziemlich obskure Figur, so daß seine Verwendung des Begriffs „Libertär“ selbst unter den eher eigentumsfeindlichen Anarchisten wenig Anklang fand. Bakunin zum Beispiel bezeichnete sich selbst nicht als Libertären. Auch Malatesta und die selbsternannten Anarchokommunisten, die die Internationale Arbeiterassoziation (die erste Internationale) auflösten, benutzten dieses Wort nicht sofort.

Laut der „Anarchistischen FAQ“, einer kollektivistischen Quelle, wurde der Begriff von Kommunisten nach 1861 das nächste Mal im Jahr 1880 verwendet, als der Ausdruck „libertärer Kommunismus“ auf einer obskuren regionalen Konferenz in Frankreich verwendet wurde. Es ist sehr gut möglich, daß Tucker dies nicht einmal wußte. Danach begannen die Kommunisten erst 1892 wieder sich selbst als Libertäre zu bezeichnen, als ein Kommunist namens Jean Faure die Zeitschrift „The Libertarian“ von Dejacques in Französisch-Algerien wiederbelebte. Das war einige Jahre nachdem Tucker angefangen hat den Begriff zu verwenden. Man kann sagen, daß die Kommunisten den Begriff „libertär“ zu dieser Zeit nicht wirklich benutzten und daß er daher nach den Maßstäben der Belegung und Verwendung von den individualistischen Anarchisten, d.h. den wirklichen Anarchisten, übernommen werden konnte. In jedem Fall kämpfte Tucker noch etwa zwanzig Jahre nach dem Haymarket Riot für die gute Sache bis sein Buchladen in New York 1908 niederbrannte. Danach war Tucker es leid, mit einer Welt voller Idioten zu streiten und beschloß seinen Hut an den Nagel zu hängen und sich für den Rest seines Lebens nach Frankreich zurückzuziehen. In seinem Alter wurde Tucker weniger optimistisch was die Aussichten auf eine freie Gesellschaft anging und sagte, daß die jahrzehntelange staatliche Intervention und der Korporatismus dazu führen könnten, daß selbst bei Abschaffung des Staates das Monopol triumphieren würde; im selben Absatz sagte er jedoch auch, daß Anarchisten dennoch nicht den Staatssozialismus befürworten sollten, da dies die Richtung sei in die sich die Gesellschaft ohnehin bewege und daß es jemanden geben sollte, der für den Wettbewerb eintritt. Etwa zur gleichen Zeit begann er auch zu glauben, daß die Zivilisation als Ganzes wahrscheinlich dem Untergang geweiht sei. In privater Korrespondenz schrieb Tucker jedoch auch: „Der Kapitalismus ist zumindest erträglich, was man vom Staatssozialismus oder Kommunismus nicht behaupten kann.“

Tuckers Abstieg in den Pessimismus sollte den Beginn des dunklen Zeitalters des Anarchismus markieren. Ein Zeitraum von 1908 bis in die 1950er Jahre, in dem die Kommunisten, die den Begriff gestohlen hatten, vorherrschten und die Flamme des individualistischen Anarchismus nur von einer Handvoll Menschen am Leben erhalten wurde. Eine der wichtigsten Persönlichkeiten aus dieser Zeit war H.L. Mencken, ein berühmter Journalist, der einen großen Teil seiner Karriere dem Angriff auf die Exzesse der Regierung gewidmet hat. Da der individualistische Anarchismus zu diesem Zeitpunkt so obskur war, bezeichnete sich Mencken selbst nicht als Anarchist, um nicht mit den kommunistischen Anarchisten in Verbindung gebracht zu werden, aber er war sicherlich mit dem alten Anarchismus vertraut und hegte eine gewisse Sehnsucht nach ihm. Dies läßt sich aus einige Anhaltspunkten erschließen: Erstens schrieb Mencken 1919:

Jeder normale Mensch muß zuweilen versucht sein in die Hände zu spucken, die schwarze Fahne zu hissen und mit dem Aufzuschlitzen von Kehlen zu beginnen.

Die schwarze Flagge, auf die er sich bezieht, ist die schwarze Flagge des Anarchismus.

Mencken veröffentlichte später ein Zitatenlexikon mit mehreren Zitate von Proudhon und anderen klassischen Anarchisten über den Staat.

Mencken beklagte auch ausdrücklich die Vereinnahmung des Begriffs Anarchismus durch die Kommunisten, indem er an einer Stelle Tuckers alten Rivalen Johann Most anprangerte und dessen Vision mit der Philosophie seines persönlichen Helden Nietzsche verglich, den Mencken für einen Anarchisten hielt.

Er schrieb:

Es ist natürlich klar, daß sich die von Nietzsche gepredigte Art von Anarchie stark von der bierseligen, kragenlosen Anarchie unterscheidet, die von Herrn Most und seinen ungewaschenen Anhängern gepredigt wird. Letztere sieht eine Aufhebung aller Gesetze vor, damit die Untauglichen der natürlichen und rechtmäßigen Ausbeutung der Tauglichen entgehen können, während erstere die Untauglichen de facto zu Sklaven macht und sie den Gesetzen einer Herrenklasse unterwirft, die, was die Beziehungen ihrer eigenen Mitglieder zueinander betrifft, kein anderes Gesetz als das der natürlichen Auslese anerkennt. Den Durchschnittsamerikaner oder -engländer läßt allein schon der Name Anarchie erschaudern, weil er unweigerlich das Bild eines Landes heraufbeschwört, das von minderbemittelten Mördern mit verfilzten Bärten terrorisiert wird, die in der einen Hand Bomben und in der anderen Bierkrüge tragen. Tatsächlich gibt es jedoch keinen Grund zu der Annahme, daß solche Schweine den Tag überleben würden, wenn morgen alle Gesetze abgeschafft würden. Sie sind unter unserer gegenwärtigen Bevormundung inkompetent und sie wären es auch unter der dionysischen Anarchie.

Es ist keine Überraschung, daß Mencken 1923 Tuckers Wort „Libertär“ für sich selbst verwendete und obwohl er dieses Wort nicht oft benutzte, wurde es später von der neuen libertären Bewegung der 1950er Jahre übernommen. Um diese neue libertäre Bewegung zu verstehen, muß man eine ziemlich obskure Figur namens Frank Chodorov verstehen. Chodorov schrieb für Menckens Zeitschrift „American Mercury“ und wie Mencken stimmte er im Wesentlichen mit den klassischen Anarchisten überein, verachtete aber die kommunistische Richtung, die die Bewegung eingeschlagen hatte.

Über seine Liebe zum Anarchismus als junger Mann schrieb Chodorov später:

Ich weiß nicht, ob ich mich für Kropotkin und Proudhon begeisterte, weil sie mir Argumente lieferten mit denen ich die Sozialisten auf dem Campus widerlegen konnte oder weil sie viel über den Individualismus schrieben, der mir anscheinend in die Wiege gelegt wurde.

In diesem Zitat erwähnt er Kropotkin, einen Anarchokommunisten des frühen 20. Jahrhunderts. Chodorov distanzierte sich von dem Begriff Anarchist, als er das Ausmaß der Feindseligkeit der zeitgenössischen Anarchisten gegenüber dem Privateigentum erkannte und schrieb:

Wenn ein Mensch die Früchte seiner Arbeit nicht ungehindert genießen kann, ist er demjenigen versklavt, der sich sein Eigentum aneignet; ein Sklave hat keine Eigentumsrechte. Außerdem, so argumentierte ich, könnte die Abschaffung des Privateigentums nur durch das Eingreifen eines allmächtigen Staates erreicht werden, den die Anarchisten so sehr zu zerstören trachteten. Diese Unstimmigkeit dämpfte meine kurzlebige Leidenschaft für den Anarchismus.

Wie Mencken hatte auch Chodorov vor allem mit der amerikanischen Rechten zu tun, obwohl er sich stets vehement dagegen wehrte als Konservativer bezeichnet zu werden:

Was mich betrifft, so werde ich jedem, der mich einen Konservativen nennt, eins auf die Nase geben. Ich bin ein Radikaler.

Es war Chodorov, der 1947 mit seinem Pamphlet „Taxation is robbery!“ den modernen libertären Slogan „Steuern sind Raub!“ prägen sollte. Und es war dieses Pamphlet, das die Aufmerksamkeit eines jungen Studenten namens Murray Rothbard auf sich ziehen sollte. Rothbard war in einem Milieu von Marxismus und kollektivistischem Anarchismus aufgewachsen. Seine Eltern waren in jungen Jahren Anarcho-Kommunisten gewesen, hatten sich aber inzwischen von diesem Gedanken gelöst. Sie hatten jedoch noch das Buch „Anarchismus“ von Paul Eltzbacher in ihrer Bibliothek herumliegen, das der junge Rothbard bald dort entdeckte. Eltzbacher war kein Anarchist, aber viele Anarchisten schätzten sein Buch noch lange nach seiner Veröffentlichung im Jahr 1900 als historische Aufzeichnung. Dazu gehörte Steven T. Byington, ein individualistischer Anarchist und regelmäßiger Mitarbeiter von Tucker's „Liberty“.

Aufgrund des historischen Wertes des Buches und der Tatsache, daß es sich ausführlich mit Benjamin Tucker und der „Liberty“ befaßte, übersetzte Byington das Werk ins Englische und veröffentlichte es in der „Liberty“. Es war diese Übersetzung, die der junge Rothbard in seinen frühen Jugendjahren lesen sollte. Ursprünglich ein Paläokonservativer, wurde Rothbard nach der Lektüre von Chodorovs „Taxation is Robbery“ ein Anhänger von Chodorov, der ihn wiederum mit den Werken von H.L. Mencken bekannt machte. Beeindruckt von der Kompromisslosigkeit ihrer Staatskritik und fasziniert von ihren Bezügen zur Anarchie beschloß Rothbard, sich eingehender mit dem Anarchismus zu befassen. Zu dieser Zeit, in den späten 1940er Jahren, war der individualistische Anarchismus eine sehr obskure Lehre, die von den selbsternannten kommunistischen Anarchisten weit überschattet wurde.

Rothbard kannte Tucker jedoch aus dem Eltzbacher-Buch, das er als Kind gelesen hatte und beschloß, ihn zu recherchieren. Wie es der Zufall wollte, befand sich die einzige Bibliothek der Welt, die ein Archiv von Tucker besaß, in New York, wo Rothbard lebte. Nachdem er die „Liberty“im Winter 1949 ausgiebig gelesen hatte, war Rothbard bekehrt. Im selben Winter besuchte er das Seminar von Ludwig von Mises und wurde ebenfalls zur österreichischen Schule der Ökonomie bekehrt.

Proudhon und Tucker hatten ihre Schriften zu einer Zeit verfaßt in der die klassische Wirtschaftslehre von Adam Smith vorherrschte, was dazu führte, daß sie die Arbeitswerttheorie akzeptierten und glaubten, daß Zins und Miete durch den Wettbewerb auf dem freien Markt abgeschafft würden. Rothbards Ausbildung in der österreichischen Schule brachte ihn jedoch dazu, diese Idee abzulehnen und er verschmolz die wirtschaftlichen Ansichten von Mises mit den politischen Ansichten von Tucker, um den Kern einer neuen Ideologie zu bilden, die er später „Anarchokapitalismus“ nennen würde.

Rothbard würde dies in seinem Aufsatz „The Spooner Tucker Doctrine, an economists view“ („Die Spooner-Tucker-Doktrin aus Sicht eines Ökonomen“) erklären, in dem er Tucker zusammen mit einem anderen individualistischen Anarchisten, der vielen Anarchokapitalisten, die dies verfolgen, sicher bekannt ist, sehr lobt: Lysander Spooner. Rothbard schränkte sein Lob jedoch ein, indem er feststellte, daß er ihre wirtschaftlichen Ansichten ablehnte. Er schrieb:

Zunächst muß ich meine Überzeugung bekräftigen, daß Lysander Spooner und Benjamin R. Tucker als politische Philosophen unübertroffen waren und daß heute nichts nötiger ist als eine Wiederbelebung und Weiterentwicklung des weitgehend vergessenen Vermächtnisses, das sie der politischen Philosophie hinterlassen haben. Ich bin daher stark versucht, mich selbst als „individualistischen Anarchisten“ zu bezeichnen, abgesehen von der Tatsache, daß Spooner und Tucker diesen Namen für ihre Doktrin gewissermaßen vorweggenommen haben - und zu dieser Doktrin habe ich gewisse Differenzen. In politischer Hinsicht sind diese Unterschiede geringfügig, so daß das System, das ich vertrete, dem ihren sehr nahe kommt; in wirtschaftlicher Hinsicht sind die Unterschiede jedoch beträchtlich und das bedeutet, daß meine Auffassung von den Folgen der Umsetzung unseres mehr oder weniger gemeinsamen Systems in die Praxis sehr weit von der ihren entfernt ist.

Moderne kollektivistische Anarchisten zitieren gerne ein paar aus dem Zusammenhang gerissene Rothbard-Zitate, um zu behaupten, daß er und seine Anhänger keine Anarchisten seien. Erstens schrieb Rothbard:

Ein erfreulicher Aspekt unseres Aufstiegs zu einiger Prominenz ist, daß wir, „unsere Seite“, zum ersten Mal in meiner Erinnerung ein entscheidendes Wort vom Feind erobert hatten. Andere Wörter, wie „liberal“, waren ursprünglich mit Laissez-faire-Libertären identifiziert worden, wurden aber von linken Etatisten gekapert, was uns in den 1940er Jahren dazu zwang uns eher schwächlich „wahre“ oder „klassische“ Liberale zu nennen. „Libertäre“ war dagegen lange Zeit nur eine höfliche Bezeichnung für linke Anarchisten, d. h. für Anarchisten, die gegen das Privateigentum waren, sei es die kommunistische oder die syndikalistische Variante. Aber jetzt hatten wir es übernommen und aus etymologischer Sicht mit Recht; denn wir waren Verfechter der individuellen Freiheit und damit des Rechts des Einzelnen auf sein Eigentum.

Rothbard gibt hier also mehr oder weniger zu, das Wort Libertär von den Kommunisten gestohlen zu haben. Wie ich jedoch bereits anmerkte, wurde das Wort Libertär von den Kommunisten, auf die sich Rothbard bezieht, erst ab der Wende zum 20. Jahrhundert konsequent verwendet. Davor wurde es von beiden Seiten immer wieder mal verwendet und mal wieder nicht, obwohl es ursprünglich von dem Kommunisten Joseph Dejacque geprägt wurde. Im 20. Jahrhundert wurde der Begriff sogar auf Anregung von Dean Russell zuerst von „unserer Seite“ verwendet, kurz darauf von Frank Chodorov. Chodorovs Beteiligung läßt vermuten, daß dies durch seine Zeit als Anarchist beeinflußt wurde, aber eindeutige Beweise dafür konnten leider nicht gefunden werden. Auf jeden Fall bezieht sich Rothbard in diesem Zitat auf das Wort „Libertärer“ und nicht auf das Wort „Anarchist“, und ironischerweise haben die modernen Rothbardianer tatsächlich einen viel besseren historischen Anspruch auf das Wort „Anarchist“ als auf das Wort „Libertärer“. Die Kollektivisten zeigen dann auf ein Rothbard-Zitat, in dem er sagt „Wir sind keine Anarchisten.“ Dieses Zitat muß aber in seinem Zusammenhang gelesen werden:

Wir müssen zu dem Schluß kommen, daß die Frage „Sind Libertäre Anarchisten?“ einfach nicht aus etymologischen Gründen beantwortet werden kann. Die Unbestimmtheit des Begriffs selbst führt dazu, daß das libertäre System von einigen Leuten als anarchistisch und von anderen als archistisch angesehen wird. Wir müssen uns daher zur Aufklärung an die Geschichte wenden; hier stellen wir fest, daß keine der proklamierten anarchistischen Gruppen der libertären Position entspricht, daß selbst die besten von ihnen unrealistische und sozialistische Elemente in ihren Lehren haben. Darüber hinaus stellen wir fest, daß alle derzeitigen Anarchisten irrationale Kollektivisten sind und somit am entgegengesetzten Pol zu unserer Position stehen. Wir müssen daher zu dem Schluß kommen, daß wir keine Anarchisten sind und daß diejenigen, die uns als Anarchisten bezeichnen, nicht auf festem etymologischen Boden stehen und völlig unhistorisch sind. Andererseits ist klar, daß wir auch keine Archisten sind: Wir glauben nicht an die Errichtung einer tyrannischen Zentralgewalt, welche die Friedlichen ebenso unterjocht wie die Gewalttätigen. Vielleicht könnten wir uns somit einen neuen Namen geben: Nonarchisten.

Das erste, was bei diesem Zitat zu beachten ist, ist, daß es aus einem Artikel stammt, den Rothbard nie veröffentlicht hat, und es widerspricht dem Blickwinkel, den Rothbard mehrfach in anderen Quellen vertritt, sowohl bevor als auch nachdem dieser Mitte der 1950er Jahre geschrieben wurde. Rothbard nannte sich 1950 in privater Korrespondenz einen „Privateigentums-Anarchisten“, und in „Betrayal of The American Right“ sagt Rothbard ausdrücklich „Ich wurde ein Anarchist“, und er sagt dasselbe in einem Vortrag, den er 1981 über seine ideologische Entwicklung hielt. Das sind nur ein paar Beispiele, Rothbard hat sich selbst auch zahlreiche andere Male einen Anarchisten genannt.

Zweitens, wenn man dieses Zitat sorgfältig mit dem vergleicht, was er in „The Spooner Tucker Doctrine“ geschrieben hat, besteht der einzige Unterschied darin, daß er in diesem Text betont, daß seine Meinungsverschiedenheiten mit Spooner und Tucker über tatsächliche politische Vorschriften nur geringfügig sind. Selbst in dem „Nonarchistischen“ Artikel betont er vor allem, daß die meisten seiner Zeitgenossen, die sich selbst als Anarchisten bezeichneten, Kommunisten waren und er sich von ihnen distanzieren wollte. Man kann es ihm nicht verdenken, denn seit dem letzten Kongreß in Saint Imier 1877 waren die kollektivistischen Anarchisten nur noch schlimmer geworden.

Einige von ihnen mißbrauchten Proudhons syndikalistische Ideen und gründeten den protofaschistischen „Cercle Proudhon“. Andere degenerierten zu Chomsky-Anhängern oder zu dem, was Keith Preston als „Anarcho-Sozialdemokraten“ bezeichnet hat. Trotz ihrer starken Verzerrung von Proudhons Wort „Anarchismus“ kann man den frühen Anarchokommunisten zumindest eine gewisse aufrichtige Hinwendung zur Freiheit nachsagen. Makhnos „Schwarze Armee“ zum Beispiel schaffte alle Steuern ab und weigerte sich, den Betrieb der ukrainischen Eisenbahnen zu regulieren. Doch bei Noam Chomsky und seinen modernen Anhängern, die sich selbst als Anarchisten bezeichnen, ist nichts von dieser Tugend zu finden. Das sind Leute, die sagen: „Vielleicht werden wir eines Tages gegen den Staat sein“, aber in der Praxis sein Wachstum auf Schritt und Tritt bejubeln. Sogenannte Anarchisten, die bis über beide Ohren in den Wohlfahrtsstaat verliebt sind, den Bismarck als erstes benutzte, um revolutionäre Anwandlungen zu untergraben. Chomsky hat sich sogar für die staatliche Waffenkontrolle ausgesprochen. Ein absoluter Witz.

Nicht alle von ihnen sind so schlecht. Murray Bookchin zum Beispiel nahm den Anarchismus viel ernster und war daher nicht so vehement gegen den Libertarismus à la Rothbard eingestellt.

An einer Stelle sagte er:

Menschen, die sich der Autorität widersetzen, die die Rechte des Einzelnen verteidigen, die in einer Zeit des zunehmenden Totalitarismus und der Zentralisierung versuchen, diese Rechte zurückzufordern - das ist die wahre Linke in den Vereinigten Staaten. Ob sie nun Anarcho-Kommunisten, Anarcho-Syndikalisten oder Libertäre sind, die an das freie Unternehmertum glauben, ich betrachte ihres als das wahre Erbe der Linken und ich fühle mich ideologisch solchen Menschen viel näher als den totalitären [amerikanischen] Liberalen und Marxisten-Leninisten von heute.

Es ist also keine Überraschung, daß Bookchin schließlich von der anarchistischen Bewegung desillusioniert war und sich gegen Ende seines Lebens nicht mehr so nannte. Erfreulicherweise haben seine Ideen überlebt und wurden in Rojava sogar bis zu einem gewissen Grad umgesetzt.

Wir hoffen, daß einige Punkte über die Geschichte des Anarchismus und der individualistischen Abstammung des Rothbard’schen Anarchismus damit geklärt werden konnten, von Proudhon über Chaudey und Tucker, Mencken und Chodorov bis hin zu Rothbard. Dessen Philosophie des Anarchokapitalismus ist lediglich der Anarchismus von Spooner, Tucker und Proudhon durch die Linse einer moderneren Wirtschaftsanalyse. Die Kollektivisten haben unterdessen versucht, die Wahrheit auf Schritt und Tritt zu verschleiern. Bakunin hat über Proudhon gelogen und den Mord an Chaudey gerechtfertigt, dann hat Malatesta Bakunin verraten und die Ideologie noch näher an Marx herangeführt. Und jetzt hat Noam Chomsky, der nicht einmal dem aufrichtigen Antietatismus von Malatesta oder Kropotkin gerecht werden kann, die Frechheit zu behaupten, wir seien keine echten Anarchisten?

Glücklicherweise scheint dieses Gejammer nicht sehr effektiv zu sein. Die AnCaps von heute haben den Mantel des Anarchismus von seinen kollektivistischen Usurpatoren zurückerobert. Ich möchte mit einem letzten Zitat von Benjamin Tucker zu diesem Thema schließen:

Sie haben keine Antwort auf Proudhon; sie wollen ihn nicht akzeptieren; sie müssen über ihn lügen. Aber sie sollten geschickter lügen.

Quellen

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YetAnotherAncap
Übersetzung
YetAnotherAncap